Kitaplatz einklagen : ausgewählte Literatur

Das KiTa-Recht ist noch relativ jung.

1 | Einleitung

Das öffentliche Jugendhilferecht ist, was die Förderung in Kindertagesstätten und in Tagespflegestellen betrifft, relativ jung. Erst seit dem 01.01.1999 gibt es einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Hinzugekommen ist am 01.08.2013 der uneingeschränkte Anspruch auf Förderung für Kinder ab dem ersten Lebensjahr. Viele Fragen sind ungelöst und werden erst langsam höchstrichterlicher Rechtsprechung zugänglich. Die/der Rechtsunkundige ist deshalb darauf angewiesen, vor allem auf sein/ihr Bauchgefühl (in Fachkreisen „Judiz“ genannt) zu hören. Wer das Gefühl hat, das er ungerecht behandelt wird im Vergleich zu anderen oder dass das Wohl des Kindes beeinträchtigt werden könnte, sollte sich Rechtsrat holen. Vielleicht geben die nachfolgende Erklärungen schon einen Hinweis darauf, ob das Bauchgefühl möglicherweise richtig liegt.

Der Beitrag beschäftigt sich mit vielen Einzelfragen dieses jungen Rechtsgebiets. Diejenigen, die nicht alles lesen möchten, sondern gezielt ein paar Begriffe nachschlagen wollen, seien auf die nachfolgende Liste verwiesen:

  • Anspruch auf Förderung in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege
  • Aufnahmekriterien
  • Rechtsfolgen bei Nichterfüllung
  • Rechtsschutz

2 | Altersgrenze

Ausgangspunkt des Rechtsanspruchs auf frühkindliche Betreuung ist § 24 SGB VIII.

Festzustellen ist, dass Kinder ab dem ersten Lebensjahr einen Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege haben.

Ab dem dritten Lebensjahr reduziert sich dieser Anspruch auf eine Förderung in einem Kindergarten.

Vor dem ersten Lebensjahr besteht der Anspruch nur bei besonderen Bedarfslagen.

Weitergehendes Landesrecht so besagt § 24 Abs. 6 SGB VIII bleibt unberührt. Das heißt es ist erforderlich, in die jeweiligen Landesgesetze zu schauen, ob dort noch weitere Regelungen zu finden sind.

Solche Landesgesetze können auch Rechtsverordnungen sein. Und schließlich finden sich Regelungen zur Aufnahme von Kindern in den einzelnen Satzungen (Satzung der Kindertageseinrichtung oder Kindertagesstätten Satzung der Gemeinde). Weitergehendes Landesrecht heißt allerdings, dass der Anspruch nicht eingeschränkt werden darf.

3 | Rechtssubjekt

Sowie ein Anspruch gewährt wird, stehen sich zwei Subjekte gegenüber: Berechtigter und Verpflichteter.

3.1 |Berechtigter

Das öffentliche Jugendhilferecht richtet sich an das Kind. Damit ist Anspruchsinhaber das Kind selbst und nicht die Eltern. Das Kind muss also alle Anträge stellen (beispielsweise Antrag auf Aufnahme in einer Kindertagesstätte) und das Kind ist folglich auch klagebefugt in einem nachfolgenden Rechtsstreit. Freilich wird das Kind im Rahmen der Personensorgen durch denjenigen vertreten, der die elterliche Sorge innehat.

Interessant ist, dass Klagen im eigenen Namen von Personensorgeberechtigten als unzulässig abgewiesen worden sind. Interessant deshalb, weil beispielsweise im Schulrecht das Bundesverfassungsgericht neben dem Kind auch die Personensorgeberechtigten für klagebefugt und als Berechtigte ansieht. Die Erziehungsberechtigten haben nämlich gem. Art. 6 Abs. 1 GG das Recht, die Kinder in ihrem Sinne zu erziehen (und zwar frei von staatlicher Einmischung). Im Kindergartenrecht, dass noch nicht einmal ein Zwangverhältnis darstellt, weil es anders als im Schulrecht keine Kindergartenpflicht gibt, wird den Eltern das Erziehungsrecht jedenfalls nicht in Form einer Klagebefugnis zugestanden. Das hält meiner Ansicht nicht stand. Gerade mit der neuen BGH-Entscheidung, die den Eltern Ersatz von Verdienstausfall zugesteht, wird deutlich, dass der Schutzzweck und der Rechtsanspruch auf frühkindliche Betreuung die Erziehungsberechtigten ebenfalls adressiert. Gem. § 22 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII soll die Vereinbarung von Familie und Beruf ermöglicht werden.
Der Amthaftungsanspruch bei Versagung des Platzes trotz rechtzeitiger Bedarfsmeldung entsteht, weil – jedenfalls faktisch – die vollständige Versagung einer Betreuungsmöglichkeit in einer Erschwerung, wenn nicht sogar im Ausfall der Berufsausübung mündet. Ein eigenes Antrags- und Klagerecht der Eltern wäre darüberhinaus gerechtfertigt, weil die Eltern über § 1626 BGB verpflichtet sind, mögliche Kindeswohlbeeinträchtigungen abzuwehren. Deshalb sind sie, sofern beispielsweise ein erzwungener Wechsel einer Kita das Kindwohl zu beeinträchtigen droht, zum Handeln aufgerufen -und sollten mit eigenen Rechten ausgestattet werden!

Kindergartenrecht: Vortrag

Rechtsanwältin Melchert beim Vortrag zum Kindergartenrecht.

4 | Rechtsanspruch

Der Anspruch ist auf den Nachweis eines bedarfsgerechten Betreuungsplatzes gerichtet.

4.1. | Kein Kapazitätsvorbehalt

Wichtigste Erkenntnis diesen Jahres war, dass die Vorgabe des Bundesverfassungsgericht, nämlich dass kein Kapazitätsvorbehalt besteht, sondern der Anspruch erfüllt werden muss, und zwar in dem Sinne, dass neue Plätze (ggf. durch Übergangslösungen) geschaffen werden müssen. Teilweise deutete sich eine Rechtsprechung an, nach der gemeint wurde, dass der Anspruch auf Unmöglichkeit gerichtet sein. Dem ist nun ein Riegel vorgeschoben. Der Anspruch besteht unbedingt.

4.2 | Erlöschen durch Zur-Verfügung-Stellung eines bedarfsgerechten Platzes

Der Bedarf der Familien besteht sich zum einen durch den Wohnort, den Ort der Arbeitsstätte und der Arbeitszeit. Gelegentlich kommen noch gesundheitliche Aspekte hinzu.
Der Anspruch ist wohnortnah zu erfüllen.
Gestritten wird, was wohnortnah bedeutet und wo die Zumutbarkeitsgrenzen liegen. Feststellen lässt sich, dass die Bundesländer in ihren Rechtsordnungen, aber auch einzelne Gemeinden und Städte geregelt haben. Pauschal wird auf eine 5 km Erreichbarkeit innerhalb des Stadtgebiets oder auf 10km im ländlichen Bereich abgestellt. In Großstädten muss bei der Zumutbarkeit bedacht werden, dass auch zwanzig Minuten mit dem ÖPVN unzumutbar sein kann, wenn die Umstände dies gebieten. Eine Einzelfallbetrachtung ist erforderlich.

Weiterhin wird die Erreichbarkeit der Kita in der Gesamtschau mit der Erreichbarkeit der Arbeitsstätte betrachtet. Hier sind gerade einige Prozesse vor dem Verwaltungsgericht rechtshängig, um zu klären, welchen Fahrten zumutbar sind, wenn beispielsweise die Arbeitsstätte entgegengesetzt zur angebotenen Kita liegt oder zwar auf dem Weg zur Arbeit, aber in einem anderen Bundesland.